Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung interdisziplinärer Systeme ist die Komplexität, die mit der Anzahl der Teilsysteme, Disziplinen, Technologien sowie deren Verknüpfungen und Abhängigkeiten zunimmt. Bei mechatronischen Systemen ist der Abstimmungs- und Synchronisationsaufwand zwischen den Entwicklungsarbeiten der verschiedenen Fachdisziplinen wie Mechanik, Elektronik und Software besonders ausgeprägt. Modelbasiertes Systems Engineering (engl.: „Model-based Systems Engineering”, MBSE) stellt einen ganzheitlichen Ansatz zur umfassenden Modellierung, Koordination und Parallelisierung dar, der zur Beherrschung der Komplexität beiträgt und damit das Ziel einer verbesserten Ressourcennutzung im Engineeringprozess unterstützt. Der Entwurf von Systemen erfolgt dabei nicht wie traditionell über Dokumente, sondern auf Basis maschinenlesbarer Modelle, die typischerweise in Form der UML (Unified Modeling Language) oder SysML (Systems Modelling Language) erstellt werden. Trotz der zahlreichen Vorteile ist das MBSE in der Praxis noch nicht zureichend verbreitet. Dies liegt insbesondere an den hohen Einstiegshürden im Mittelstand, die u.a. durch die Vielzahl und Komplexität der Verwendbarkeit von Diagrammtypen, deren Erstellung, Verwaltung und kontinuierliche Weiterentwicklung notwendig sind, um ein entsprechendes System vollständig beschreiben zu können.

Das Forschungsprojekt LLM-SE sieht das Potenzial und verfolgt das Ziel, durch die Einführung von Large Language Models (LLM), die derzeit durch Bild- und Textverarbeitungsverfahren besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, Einstiegsbarrieren abzubauen und gleichzeitig die Entwicklungseffizienz und -qualität in der MBSE zu steigern. Dazu wird ein an der Philosophie und Struktur der MBSE orientiertes Assistenzsystem unter Anwendung von Large Language Modellen zur Teilautomatisierung des Engineeringprozesses mechatronischer Systeme von der Anforderungsanalyse bis zur virtuellen Inbetriebnahme entwickelt. Dieses soll Benutzereingaben wie Anforderungen und Anpassungen interpretieren, durch die Verfügbarkeit von unternehmensspezifischen Produktkatalogen, historischen Projektdaten und Best Practices in individuelle, modellbasierte Lösungen transformieren und diese durch geeignete Validierungs- und Verifizierungsmechanismen absichern. Dadurch werden eine deutliche Effizienzsteigerung der Planungsprozesse sowie eine frühzeitige Fehlerreduktion und -vermeidung durch automatisierte Verifikation und Validierung erreicht. Dies vereinfacht die Koordination und reduziert den operativen Aufwand in Engineering-Projekten und versetzt den bayerischen Mittelstand im Sondermaschinenbau in die Lage, die Transformation vom dokumentengetriebenen Engineering zum durchgängig digitalen MBSE zu bewältigen.

Kontakt:

Atakan Calis, M.Sc.

Department Maschinenbau (MB)
Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS, Prof. Franke)


Martin Barth, M.Eng.

Department Maschinenbau (MB)
Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS, Prof. Franke)


Marvin Schobert, M.Sc.

Leiter Forschungsbereich Engineering-Systeme

Department Maschinenbau (MB)
Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS, Prof. Franke)